Auf ein neues Ziel

Neue Seen oder Flüsse bedeuten auch, sich immer mit neuen Situationen auseinander zu setzen. Ich befische hier mehrere Gewässer, bis auf ein paar einzelne Unterschiede sind sie sich aber sehr ähnlich. Man verfällt schnell immer in den gleichen Trott. Aber gerade die Seen im Ausland unterscheiden sich teils enorm von dem, was ich hier kenne.

 

Andere Ufer, gleiche Taktik ?

Mein Teamkollege Vincent und Ich wollten ein paar Tage nach Frankreich fahren, um an einem kleinen See zu angeln. Vincent hatte an diesem See bereits schon einmal gefischt. Daher wurde ich nicht ganz erschlagen als ich an dem See ankam. Mein Echolot hätte ich erst gar nicht mitnehmen müssen, denn der See hatte eine Durchschnittstiefe von vielleicht 70-80 cm und das scheiss Ding zeigte einfach gar nix an.
Der Boden war monoton und bedeckt mit Schlamm, sehr viel Schlamm. Gerade einmal 8 Hektar und absolut voll mit kleinen Fischen um die 6 bis 8 Kilo, dies war eben nicht einer meiner typischen Baggerseen aus dem Rheinland.
Natürlich machten wir uns vorher schon einige Gedanken darüber, wer welchen Boiliemix nimmt, wer welche Stellen befischt oder auch wie wir die Ruten ablegen würden.
Ich entschied mich für den Big Water in 28 mm und 24 mm, sowiefür den Hemp/Nutty Mix von Keen Carp. Aufgrund der vielen kleinen Karpfen in dem See, habe ich im Baitservice die Köder extra hart abrollen lassen, trotzdem haben die Köder aber immer noch eine gute Wasserlöslichkeit.Ich verbrachte erst einmal einige Zeit auf dem Wasser um genaue Stellen zu finden. Wir zwei hatten uns im Vorfeld schon grob geeinigt, wer welchen Seeteil befischen wird, aber die genauen Plätze wurden erst mit der Taststange und Blei vor Ort gesucht. Links neben mir eine Bucht, mit vielleicht 40 cm der flachste Bereich meiner möglichen Angelstellen. Meine tiefsten Stellen direkt vor mir, grob geschätzt vielleicht einen Meter. Auf meiner rechten Seite war es auch nicht tiefer.

Ich habe schon öfter in solchen flachen Bereichen gefischt, vor allem im Frühjahr konnte ich dort immer wieder große Karpfen abfangen. Allerdings sollte es in den kommenden Tagen große Temperaturschwankungen geben und eine Ausweichtiefe in dem See gab es nicht.
Immer wieder fand ich zwischen dem Schlamm einige kleinere Bereiche, die relativ hart oder sogar sehr hart waren. Die Stellen die am weitesten weg waren sollten für drei Tage nicht beangelt, sondern nur mit den 28ern Big Water befüttert werden. Die ufernahen Stellen wollte ich direkt ab dem ersten Tag mit dem Hemp/Nutty Mix befischen. Das ist eine Taktik, die wir in unseren Workshop genauer besprechen und die auch schon in einigen unserer Artikeln vorkam.Daher möchte ich sie jetzt nicht bis ins kleinste Detail besprechen. Kurz gesagt benutze ich eine ähnliche Taktik auch zu Hause. Also wo ist denn jetzt die Herausforderung bzw. meine Chance zur Weiterentwicklung? Nebenbei, die Frage ist selbstkritisch gemeint und nicht arrogant.

 

Zwischen Wunsch und Realität

In diesem See schwimmen wohl Fische bis über 30 Kilo, somit war mir klar, dass dies mein endgültiges Ziel sein sollte. Sicherlich kein einfaches Unterfangen und vor allem in einer Woche nicht mal eben so zu erledigen. Aber warum nicht seine Ziele etwas nach oben stecken. Ich wusste auch von einem Koi in dem Gewässer und dieser war auf meiner Liste der Zwischenziele. Ein Fisch über 30 Kilo und dieser Koi, was wäre das für ein Ergebnis.
Am ersten Tag, nachdem die ersten Ruten endlich gegen Nachmittag lagen, war ich gespannt auf das, was kommen mag. In der Nacht dann der erste Biss und es musste ja so kommen, Rute hoch und 1.2.3 der Fisch war weg. Trotzdem brachte ich die Rute wieder mit guter Laune auf den Platz. Die Nacht verlief ansonsten ruhig, ohne Biss. Aber ich war gar nicht so unzufrieden mit einer ordentlichen Portion Schlaf. Ich freute mich ohnehin auf den Tag, vielleicht endlich mal Tagsüber Fische drillen und Fotografieren, und nicht wie bei mir zu 90 Prozent nachts. Tja was soll ich sagen, ich durfte lediglich beobachten wie Vincent am gegenüberliegendem Ufer, alle zwei Stunden mit krummer Rute am Ufer stand. Ich dachte mir es ist nur eine Frage der Zeit bis die Fische auf meine Seeseite kommen um zu fressen.
Erst gegen Abend bemerkte ich links neben mir in der Bucht die ersten Anzeichen von Aktivität. Nachdem sich dann auch die Sonne verabschiedete lief dann endlich die Rute in der Bucht mit einem Vollrun ab. Der erste Fisch des Sees, kein großer, aber wenigstens endlich mein erster Fisch.

In der Nacht finge es dann auch an etwas zu regnen und man merkte sofort wie die Temperaturen in den Keller gingen. Keine zwei Stunden später lief die gleiche Rute erneut ab und ich konnte einen weiteren kleineren Fisch in den Händen halten.

Ich sag euch, das Keschern in so einem flachen See ist alles andere als witzig. Jedes Mal verfing sich der verdammte Kescher im Schlamm und steckte fest drin. Nachdem der Fisch wieder seinen Weg gehen durfte, entschied ich wach zu bleiben. Der Mond strahlte genug Licht aus, so dass ich die Wasseroberfläche beobachten konnte. Immer wieder sah ich die Fische aktiv auf meinen Big Water Plätzen und ich musste mich zusammenreißen, nicht eine Rute sofort auf die Stellen zu legen.
Als die Sonne endlich aufging bemerkte ich wie die Aktivität der Fische aufhöhrte. Ich befischte ja lediglich links neben mir die Bucht, die anderen Stellen sollten morgens bzw. mittags nur unter Futter gehalten werden und erst in ein paar Tagen beangelt werden. Nach einiger Zeit fing es dann richtig an zu regnen, es hörte den ganzen Tag einfach nicht auf und in meiner Bucht fiel die Wassertemperatur von 18 Grad auf 13.5 Grad. Das Resultat kann sich jeder selber ausmalen. Wie die Temperatur fiel auch meine Stimmung, wollte ich doch gerne einmal tagsüber Fische fangen, aber bei der Tiefe und den Temperaturen, aus der Traum. Ebenso lief nur eine einzige Rute, die anderen waren wie tot. Immer wieder sagte ich mir „mein Ziel ist ein großer Fisch und eventuell dieser eine Koi“, also wieso mache ich mich jetzt selber so runter?

 

Zeit was zu ändern

Auf den Big Water Stellen waren eindeutig Fische. Immer wieder sah ich das Gründeln und Buckeln der Fische. Meine Stellen mit dem Hemp/Nutty wollten nicht richtig laufen, naja eine brachte wenigstens Fische. Immer wieder sah ich Vincent im Boot. Bei ihm lief es anscheinend so richtig. Also musste ich was ändern. Ich freute mich riesig für ihn, aber ärgerte mich gleichzeitig über mich. Irgendwas musste ich falsch machen. Auch wenn der Hemp/Nutty Mix durch die Härte und Größe mit Sicherheit keine absolute instant Kugel ist, ist dieser Boilie weitaus attraktiver als der Big Water. Die Big Water Stellen zeigten ja regelmäßig Fische auf dem Platz und meine Hemp/Nutty Plätze waren wie ausgestorben. Also war es offensichtlich, ich musste was an meiner Taktik bzw. an den Plätzen verändern.
Siehe da, da war sie doch endlich. Ohne es bewusst zu bemerken, fand ich eine neue Herausforderung. Ich wollte unbedingt mehr als eine Rute ans laufen bekommen und somit wurde einmal alles rundum erneuert. Alle Rigs wurden auf eine maximale Länge von vielleicht 10 oder 12 cm gekürzt. Wegen dem Schlamm hatte ich sie etwas länger gelassen. Aber jetzt sollten extrem kleine bzw. enge Futterplätze und eben auch sehr kurze Rigs zum Einsatz kommen. Erneut suchte ich in der Bucht nach weiteren kleinen Stellen. Ich fand einen kleinen Streifen und mit der Taststange konnte ich richtige kleine Wellen bzw. Kerben im Boden spüren. Dieser Platz lag vielleicht nur 10 Meter von meiner alten Stelle entfernt, wo gar nix lief.
Kaum lag ich abends auf der Liege, stand ich auch direkt wieder vor dem Zelt. Die rechte Rute meldete sich und der Fisch machte extremen Druck. Immer wieder zog der Fisch kurz vorm Kescher weg, aber gesehen hatte ich ihn in der braunen Brühe immer noch nicht. Mit meinen Wattstiefel versuchte ich ihm durch den Schlamm etwas entgegenzugehen damit ich ihn so besser keschern kann. Diesmal ein schöner Schuppenkarpfen mit 16 Kilo. 

Ja ich weiß, mein Ziel hatte ich immer noch nicht erreicht. Allerdings hatte ich während des Trips eine neue Aufgabe gefunden und das verlangte eben eine Step by Step Veränderung.

 

Das erste Ziel

Endlich war der Tag gekommen, an dem ich meine Big Water Stellen befischen kann (konnte?). Endlich wieder bekanntes Vorgehen. Ich weiss auch nicht wieso, aber irgendwie machte mir das Experimentieren auch Spaß. Daher beschloss ich statt drei Big Water Ruten nur zwei zu fischen und mit der dritten Rute weiter aktiv zu angeln. Ich wollte erst die Big Water Ruten rausbringen. Die letzte Rute sollte für flexible Zwecke erst einmal neben dem Zelt bleiben.
Es dauert gar nicht lange, da beobachtete ich links in der Bucht doch tatsächlich eine kleine rote Flosse.

Immer und immer wieder kam die Flosse für einen kurzen Moment heraus. Das war dann wohl der Startschuss für die dritte Rute. Im Schneckentempo brachte ich ganz leise und ruhig die Rute in die Nähe des Fisches aus. Jetzt war Abwarten angesagt. Die Zeit verging und desto länger nix passierte, desto weniger rechnete ich mit einem Biss. Aber dann doch, erst ein paar Piepser und dann verbog sich die Rutenspitze nach links weg. Lange konnte ich den Fisch nicht sehen, doch dann kurz vor dem Kescher sehe ich die rote Flosse, dann den roten Rücken. Absolut überwältigt betrachte ich den Koi.

Meinen ersten Koi überhaupt. Das „Zwischenziel“ war nun also erfüllt.

 

Die Big Water Nacht

Langsam neigte sich der Tag dem Ende zu. Das Wetter sollte auch in dieser Nacht wieder einmal sehr wechselhaft werden. Schon wieder Regen und Temperaturschwankungen; na toll. Allerdings sollten ja heute Nacht die „tieferen“ Stellen befischt werden, sofern man einen Meter als Tief bezeichnen kann. Es fing ganz leicht an zu nieseln. Ich wartete nur auf stärkeren Regen. Oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei Starkregen die Ruten stumm bleiben. Der Regen wurde mit der Zeit so heftig, dass man sein eigenes Wort nicht mehr hören konnte. Es hat bestimmt 10 Sekunden gedauert, bis ich gehört hatte, dass neben dem lauten Klatschen des Regens, auch einer meiner Bissanzeiger heftig schrie. Bei sintflutartigem Regen stand ich am Ufer. Ich hatte ich mich wohl diesmal schwer vertan mit meiner Regentheorie. Der Fisch machte mal so richtig Druck, immer wieder machte er heftige Fluchten, doch irgendwann hatte ich ihn endlich. Ein Spiegler mit 27 Kilo.

Im Moment wo der Fisch im Kescher landete, hörte es natürlich auf zu regnen. Völlig durchnässt, aber mit einem breiten Grinsen, ging die die Rute sofort wieder auf den Platz.
Es sollte aber nicht mein letzter in der Nacht bleiben. Kurz bevor die Sonne aufgehen sollte meldete sich direkt die zweite Big Water Stelle. Wieder kämpfte ich mit meinem Kescher und dem Schlamm. Jedes Mal, wenn ich versuchte den Kescher nach vorne zu drücken, tauchte die Spitze sofort ab in den Schlamm. Zwei oder dreimal hatte der Fisch so die Möglichkeit davon zu ziehen. Aber dann, dann sollte es klappen. Diesmal ein Schuppi mit 16.5 Kilo auf den 24 mm Big Water.

Die Nacht sollte damit aber noch nicht rum sein. Kaum lies ich den Fisch schwimmen, da zog dann direkt die nächste Rute los. Diesmal ein weiterer Spiegler. Die Waage blieb knapp über der 20 Kilo Marke stehen.

 

Der Schlussspurt

Nachdem es Tagelang heftig und fast durchgehend geregnet hatte, sollte das Wetter sich jetzt von seiner besten Seite zeigen. Tagsüber 25 Grad und nachts runter auf 8-9 Grad. Auch wenn endlich mal alles trocken werden sollte, so sollte das Wasser wieder Temperatursprünge ohne Ende machen. Erneut beobachtete ich den sehr flachen Bereich links neben mir. Hier mussten doch wenigsten am Tag die Fische reinziehen, aber Fehlanzeige.
Erst gegen späten Abend konnte ich dort eine kleine Gruppe ausmachen. Wieder sollte meine Zeltrute ihre Chance bekommen. Keine 5 Meter von meinem Camp pendelte ich die Rute auf den Platz, an dem ich die Fische ausmachen konnte. Die Sonne war jetzt untergegangen und ich rechnete nicht mehr mit einem Biss. Doch dann meldet sich die Zeltrute. Der Nebel auf dem Wasser wurde so heftig und erschwerte jetzt auch noch irgendwas zu erkennen. Wie mit verschlossenen Augen drillte ich den Fisch. Die Stirnlampe war hier natürlich total überflüssig. Erst als ich den Fisch auf der Matte hatte, konnte ich sehen was ich da liegen hatte; der nächste Koi.

Eine weitere Big Water Stelle sollte mir aber auch noch einmal das Lächeln ins Gesicht bringen. In der Nacht fing ich noch einen weiteren Fisch. Diesmal wieder einen Spiegler mit 18 Kilo.

Also fand ich wohl doch eine neue Herausforderung. Durch das Ändern der Riglänge, Stellenwechseln und auch durchs aktive Angeln, wurde eine sehr schwierige Aufgabe dann doch gelöst. Die 30 Kilo wurden zwar nicht geknackt, allerdings bin ich bei den Bedingungen alles andere als unzufrieden. Solche Herausforderungen motivieren mich, mich auch in Zukunft immer wieder ins Auto zu setzen und nach neuen Aufgaben zu suchen.

Sebastian Wirtz


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