Die Köderherstellung ist ein Fachgebiet, kein Hobby Teil 2. - Die geheimen Zutaten

Zu Beginn unseres geschäftlichen Verhältnisses, als ich noch ein Grünschnabel war, jedoch schon wusste, was für einen Wert Hub Genders Wissen hat, bereitete mir die Tatsache des Kopierens Sorgen. Ich habe ihn öfters gefragt, was ich denn machen soll, wenn ich unsere Produkte irgendwo kopiert vorfinde, doch er lächelte immer nur.

„István, der Wert einer Marke liegt nicht im seinem Design oder Slogan, das kann jeder wegnehmen. Eine Sache kann man jedoch nicht stehlen: das Wissen.”

Dasselbe habe ich auch schon vor 35 Jahren von meiner Mutter gehört. Es sieht so aus, als würde man das nicht nur bei uns im „Dorf” wissen.

Ich möchte hier wieder damit beginnen, dass auch ich über Jahre hinweg meine eigenen Boilies hergestellt habe und deshalb möchte ich diejenigen nicht verurteilen, die heute das Gleiche tun. Für mich stehen sie in einer etwas höheren Position. Ich meine nicht in Bezug auf das Ergebnis, sondern dass sie bereit sind etwas für ihren Erfolg zu tun. Das ist viel wichtiger, als viele denken.

Ich bin mir sicher, wenn diese motivierten Angler das Plus an Energieaufwand in die Vorbereitung ihrer Angeltour, in ihre Fortbildung, in die Informationsbeschaffung und in die Ausarbeitung einer Taktik stecken, werden sie viel-viel erfolgreicher.

Weshalb ich sie vor hausgemachten Boilies bewahren möchte, wie ich die Zubereitung DES REZEPTES sehe und welche Schwierigkeiten hierbei auftreten können, darüber möchte ich ein paar Sätze schreiben.

„Geschmackswelt”

Wenn sich jemand zwecks Köderauswahl oder Ausarbeitung einer Futtertaktik an mich wendet, quetsche ich ihn erst einmal gründlich über alles aus, um die beste Lösung zu finden. Wenn wir dann auf die bisher verwendeten Ködertypen und seine eigenen Vorstellungen zu sprechen kommen, erwähnen die Angler so gut wie immer die „Geschmackswelt” des Köders.

Auf meine Rückfrage bekomme ich häufig Definitionen wie „fischig-stinkend”, „würzig” und als Favorit die „Frankfurter Würstchen” als Antwort.
Dazu möchte ich nur sagen, dass dies keine Köderdefinitionen sind. Jedenfalls sagen diese den Karpfen nichts.

Wie viele Eier enthält das Rezept?

Das ist die häufigste Frage die mir von Anglern gestellt wird, die sich über Boiliemixe erkundigen: „Wie viele Eier enthält das Rezept?“ Die Frage an sich ist schon falsch und kann so nicht beantwortet werden. Für uns beinhaltet ein Ei (oberflächlich betrachtet, denn auch das ist um einiges komplexer) zwei Hauptelemente: Eiweiß und Feuchtigkeit.

Eiweiß benötigen wir – unter anderem – für die Struktur der Boilies. Das gibt ihm den Widerstand gegenüber Wasser und seine Härte. (Neben den trockenen Zutaten, doch das ist hier gegeben).
Es schadet auch nicht zu wissen, welche Menge an Eiweiß mit der Zugabe der Eier erreicht werden will, welche Eiweißtypen überhaupt vorhanden sind. Die Gleichung besitzt schon jetzt zu viele Unbekannte. Die Feuchtigkeit hilft nur dabei, die Boilies zu formen. Aus diesem Grund werden manchmal unbegreiflich viele, 10-12 oder sogar 15 Eier in die Boilies gegeben, mit dem Argument „der Teig hat noch nach Eiern verlangt”. Anschließend können wir uns wundern, warum die Boilies „keine Fische bringen”.
Was ist die Lösung? Ich sagte bereits, dass Köderherstellung ein Fachgebiet und kein Hobby ist.

Löslicher Boilie

In diesem Sinne müssen wir auch den Begriff löslicher Boilie neu überdenken. Denn ein Boilie fällt aufgrund von Mangel an Bindemittel und Hitzebehandlung schnell auseinander und es ist nicht sicher, dass er attraktiv ist, wenn die verwendeten Zutaten keine entsprechende Qualität und Konsistenz besitzen.

Umgekehrt ist es auch nicht wahr, dass ein harter Boilie nicht gut funktionieren und nicht attraktiv wirken kann – im Angebot von Keen Carp findet man solche Boilies. :-)

Die Bedürfnisse des Anglers

Na, das ist es worauf die Fische überhaupt nicht neugierig sind. Ich habe auch schon im vorigen Teil erwähnt, dass wir mit Probieren und Schnuppern der Boilies keine guten Entscheidungen treffen können. Unser Geruchs- und Geschmackssinn unterscheidet sich von Grund auf von dem der Fische und darüber hinaus entscheiden wir auf emotionaler Basis. Das bedeutet, dass wir auch unsere Gefühle in Betracht ziehen, wenn wir über etwas entscheiden. Wir stellen uns etwas vor und verbinden dann den Geschmack oder Geruch mit Bildern, Erinnerungen und Emotionen, die wir im Gehirn gespeichert haben. Das fehlt den Fischen. Sie denken nicht an die Bananenstauden, die von den Bäumen hängen, an den Duft eines Erdbeerfeldes und an den Preis eines Lachsfilets oder an den Kuchen der Oma. Man kann sagen, sie funktionieren digital und entscheiden in einer zehntel Sekunde, ob sie unter den gegebenen Umständen unsere Boilies brauchen oder nicht. Wir können also mit menschlichem Verstand nicht darüber entscheiden, was die Karpfen benötigen.

Primäre und sekundäre Wirkungen

Es ist schon oft vorgekommen, dass sich mehrere Jahre nach der Herausgabe der Lizenz eines Medikaments herausstellte, dass die Medizin gar nicht deshalb funktioniert, weil sie mit dem neu entdeckten, direkten (primären) Wirkstoff auf die Krankheit wirkt, sondern auf einen anderen Teil des Organismus und die dort entstandene Veränderung wirkt sich dann positiv auf das kranke Organ aus. Diese „Fehler” stellen sich oft erst nach mehrjähriger Forschung, Investition von vielen Millionen Euro und nach einem strengen amtlichen Lizenzgebungsprozess heraus.

Auch in unserer Fachrichtung gibt es solche Fälle. Einer meiner Lieblinge ist das Robin Red, genauer gesagt das Robin Red in Pulverform.

Es hat eine positive Wirkung auf Karpfen, das hat jeder schon gehört. Die primäre Wirkung kommt von einem Stoff in der Paprika, der auf die Gehirnfunktion einwirkt. Doch es gibt auch eine sekundäre Wirkung: Seine physikalische Struktur beeinflusst die Textur der Kugel, wodurch sich seine Löslichkeit verbessert und somit noch anziehender wirkt. Der besser lösliche Boilie setzt schneller Duftstoffe und Geschmacksstoffe frei, so reagieren auch die Fische schneller und man hat eher einen Fang.

Farben

Man hört von weißen Boilies, sie seien attraktiver als die naturfarbenen. Die Farberkennung und auch das Sehen sind eigenständige Wissenschaften, voll von – um stilvoll zu bleiben- schwarzen Flecken und unbeantworteten Fragen. Dass die Farbe und das Licht ein Spektrum sind, ist eine Tatsache. Dass das Licht vom Wasser gefiltert wird, ist auch eine Tatsache. Es ist eine weitere Tatsache, dass Licht in Süßwasser besser gefiltert wird als in Salzwasser. Tatsache ist auch, dass die verschiedenen Farben in unterschiedlichen Tiefen absorbiert werden. Hinzu kommt, dass es nachts viel weniger Licht gibt als tagsüber und dass sich das Sehorgan der Fische von unserem maßgeblich unterscheidet.

Deshalb bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir recht beurteilen können, was die Fische genau sehen können. Die fischreichen Gewässer von unterschiedlicher Qualität filtern das Licht sogar auf unterschiedliche Weise und Intensität.

Das weiße Färbemittel hat jedoch ähnlich zum Robin Red eine weitere, als sekundär zu bezeichnende Wirkung, die ein wenig vereinfacht so aussieht: Es lockert auch die Struktur der Boilies und sie werden dadurch einfach löslicher. Also weiß oder schneller löslich?

 

Die Mystik des Fischmehls

Mein weiteres Lieblingsthema ist die Sache mit dem Fischmehl. Der Boilie aus Fischmehl wird intensiver – heißt es. Dazu kann ich nur hinzufügen, dass sich das Fischmehl – dem allgemeinen Glauben entgegen – nicht in Wasser löst. So ist seine Geruchswahrnehmung für den Karpfen unmöglich.

Es existieren zwar auf Fisch basierende Produkte, die sich in Wasser gut lösen, doch da ihr Preis recht hoch ist, kann man sich schon rein mathematisch denken, dass in einem billigen Boilie nicht einmal Spuren davon enthalten sind. Der Nährwert des Fischmehls ist eine andere Sache, mischen wir das nicht mit diesem Thema.

Verdaulichkeit

Im Zusammenhang mit Fischmehl ist die Verdaulichkeit mein weiterer Favorit. Es existiert seit ein paar Jahren vorverdautes Fischmehl und es schadet auch nicht die Herstellungstechnologie dieser Fischmehle für die Köderherstellung zu kennen. Wenn wir die langfristige Fütterung planen, ist es sehr wichtig die Frage der Verdaulichkeit zu klären. Das haben auch die Fischmehlhersteller erkannt und warfen die neue Generation des Fischmehls, vorverdautes Fischmehl auf den Markt.

Was für mich noch viel interessanter ist: Was war vor dem vorverdauten Fischmehl und was haben die Fachleute über ihre Verdaulichkeit gesagt? Die Antwort kenne ich, doch grübeln auch sie etwas darüber nach.

Die Frage steht weiterhin im Raum – vergessen wir sie nicht.

Ich bitte jeden darum sich zurückzulehnen und folgende Frage zu beantworten: Wenn ich ein fangreiches Rezept hätte, das ich für viel Geld verkaufen oder mit dem ich viel erfolgreicher werden könnte, wie die Angler aus der Nachbarschaft, würde ich es im Internet publizieren?

Über alles Amino

Das ist wahrscheinlich der Bereich der Boilieherstellung, der am meisten von Mystik und gleichzeitig Unwissenheit geprägt ist. Wissen diejenigen, die über Aminosäuren publizieren überhaupt was das ist?

Einige Infos zum Brainstorming:

  • Die Zerfallsprodukte von Aminosäuren sind stickstoffhaltig – deswegen braucht der Fisch sie -, deshalb riechen sie schlecht – deshalb reagiert er auf sie. Die Zitrone riecht deshalb nicht so unangenehm, weil sie weniger stickstoffreiche Verbindungen enthält.
  • 95% der aktiven biologischen Funktionen eines lebenden Organismus werden von Proteinmolekülen betrieben: Es sind immer andere Proteine für das Fühlen, Sehen, Bewegung, Muskelfunktion und natürlich das „Management” der Verdauung verantwortlich. Die Rezeptoren der Reizübertragung basieren auch auf Proteinverbindungen. Die aktiven Elemente der Muskelbewegung sind ausschließlich Proteine. Die Verdauungsenzyme sind auch alle Proteine. Usw.
  • Die Proteine/Aminosäuren die aus der Nahrung in den Körper eines Tieres gelangen, werden zu aktiven funktionserfüllenden Eiweißmolekülen, nachdem der Körper sie abgebaut und erneut nach seinen Bedürfnissen aufgebaut hat.
  • Die Geschwindigkeit und auch die Wirksamkeit der Proteinverdauung sind sehr unterschiedlich. Dieser Unterschied kann bis zu 10-fach sein.
  • Einige Aminosäuren verhindern die Resorption von anderen Aminosäuren. Anders formuliert, sie löschen ihre Wirksamkeit gegenseitig aus. Sie geben also vergeblich eine große Menge an Amino-Komplex in den Boilie, es kann gut sein, dass die Wirkung gleich null ist. Es besteht sogar die Chance eine negative Wirkung zu kreieren.
  • Einige Aminosäuren können auch allein über einem bestimmten Wert kontraproduktiv sein und eine negative Wirkung auslösen und so die Fische vertreiben.
  • Eine einzige tierische Zelle kann bis zu 80.000 verschiedene Proteinmoleküle enthalten. In Leber- und Nervenzellen findet man die Proteine in besonders vielen Variationen. (Selbstverständlich werden auch diese aus Aminosäuren aufgebaut.)
  • Um die Unsicherheit bezüglich des Themas mit einigen Zahlen noch zu erhöhen: Ein durchschnittliches Protein besteht aus 480 Aminosäuren. So kann ein Protein von durchschnittlicher Größe in 20480 Variationen vorkommen. Wenn man von allen existierenden Proteinen nur ein einziges herstellen würde, wäre ihre Masse gleich der unseres Sonnensystems. Gerade aufgrund dieser enormen Variabilität basieren alle von uns bekannten Lebensformen auf Proteinen.

Na dann mal auf gute Aminosäuren!

Alles was drin sein muss

Darüber, was alles in einem Boilie drin sein muss und was man unter keinen Umständen weglassen darf, haben sie schon genug gelesen. Es gibt immer mehr Boilies auf dem Markt, die vierzig trockene und darüber hinaus fünfzehn flüssige Zutaten haben. Wir können schon fast sagen, dass dies ein neuer Trend ist. Nicht nur Köderfirmen sondern auch Selbstroller rivalisieren untereinander bereits damit, wer mehr Inhaltsstoffe in seinen Ködern hat. Das Ergebnis: Der Mix wird immer unbekannter und ohne gründliche Kenntnisse verlieren sie darüber völlig die Kontrolle.

Bewusst oder zufällig? Das ist nicht egal

Es gibt auch ein Leben außerhalb von Keen Carp, es existieren gut funktionierende Boilies auf dem Markt, und man kann hin und wieder sogar gute Mixe kaufen. Ich selbst habe auch schon Boilies auf Messen gefunden, mit denen ich angeln gehen würde.
Wie bereits erwähnt, habe ich mit selbsthergestellten Boilies schon viele schöne Fische gefangen und ich war dementsprechend zufrieden. Ein Gedanke lies mich jedoch nicht in Ruhe: Ich hatte keine Ahnung wovon mein Boilie gut war. Meine „Wissenschaft” der Boilieherstellung basierte auf herum probieren; ich tat dies und das hinein, lies dies und jenes weg, erhöhte die Dosierung von dem und reduzierte von jenem. Das System kann auf keinen Fall als bewusst bezeichnet werden. Das war der Grund, weshalb ich mich änderte und anfing einem Menschen zu glauben und zu vertrauen, der viel mehr Wissen und Erfahrung hat als ich, Hub Genders. Der erste offenkundige Unterschied zwischen uns war, dass er genau wusste, warum ein Boilie unter gegebenen Umständen wirkt, während ich mir überhaupt nicht im Klaren darüber war, warum ich mit meinen Boilies viele Fänge machen konnte. Ich höre seine Antworten erneut: Ist es denn nicht egal warum? Auch ich dachte so, doch das ist es nicht.

Wenn der Fang „wegbleibt“

Solange wir genügend Fänge haben, zählt es tatsächlich nicht. Die Probleme fangen an, wenn die Fangquote sinkt. Wir neigen dazu, das mit verschiedenen Argumenten zu erklären, jedoch hat sich in vielen Fällen der Köderbedarf der Fische durch die Änderung der Umwelt gewandelt.

Ein typisches Beispiel hierfür ist die Begründung der fischarmen Sommer. Die Fische essen im Sommer weniger, weil der Sauerstoffgehalt des Wassers geringer ist, und Punkt – so lautet die These. Im Frühling argumentieren wir gerne mit der Vorbereitung auf das Laichen. Und damit ist die Sache auch erledigt…Diejenigen die das o.g. glauben, werde ich jetzt vielleicht ein wenig betrüben, doch die Fische essen durchaus auch im Sommer, noch dazu ziemlich viel. Diese Jahreszeit ist sogar eine der besten für die Jagd auf große Fische – wenn wir den entsprechenden Köder haben. Und natürlich eine Taktik!
Zusammenfassend kann man sagen, dass nicht ihr Appetit sinkt, sondern sie nur etwas anderes beanspruchen. Man kann sich im Internet die Antworten auf die Fragen was, wann und zu guter Letzt warum nicht „zusammensuchen”. Die Aneignung eines solchen Wissens erfordert harte Forschungsarbeit und stärkeren Fanatismus, als bei den meisten Anglern vorhanden ist. Es besitzt also einen Wert. Ich nenne das Fachkenntnis. Das hebt für mich Hub Genders an die Spitze der Fachkenntnis.

Bevor Sie die „Lehren” von Ned Ludd erneut durchdenken, sich einen Hammer nehmen und anfangen in ihrer Werkstatt alle Maschinen zu zerstören, lesen sie noch den nächsten Teil über die Herstellung. Danach können sie anfangen.

István Orbán

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