Schlaflos in Nürnberg

Jeder Angler freut sich auf den Start in die neue Saison. Doch kaum passt die Wassertemperatur und die Fische fangen an zu fressen, steht auch schon wieder die Laichzeit bevor.

Was tun? Der eine Angler bleibt zu Hause, bindet neue Rigs, liest Fachzeitschriften, schaut diverse Videos, postet Kommentare in den Social Media – und es gibt den anderen Angler, der trotz dieser widrigen Umstände seiner Leidenschaft nachgehen will. Es scheint wie eine Droge zu sein und er kann es einfach nicht lassen dem Wasser fern zu bleiben.

Wir gehören der zweiten Sorte des Karpfenanglers an, das Wasser zieht uns immer wieder magisch an. Clemens, ein guter Freund von mir und ich machten uns auf die Suche nach den Fischen, denn wir beobachteten das Liebesspiel der Cypriniden schon über eine geraume Zeit im Hafengebiet von Nürnberg.

Für uns stellte sich die Frage, wohin ziehen die Karpfen, die ihrem Trieb bereits nachgegangen sind?

Nach tagelanger und intensiver Suche wurden wir endlich fündig und es ging rasch über in die Vorbereitung. Dazu gehörte die richtige Futterstrategie, sowie Boiliewahl.

Da die Wassertemperatur schon bei 22 Grad an der Oberfläche lag, fiel uns die Entscheidung relativ leicht. Es konnte nur der „Big Water Mix“ sein. Der auf Kohlehydratbasis basierende Mix stellte die perfekte Ausgangslage dar.

Die Erfahrung der letzten Jahre zeigte uns, dass 300-500g pro Spot am Tag vollkommen ausreichten, um selektiv den Großkarpfen erfolgreich nachzustellen.

Da unsere Hunde abends sowieso ihren Auslauf brauchten, schlugen wir zwei Fliegen mit einer Klappe und wählten unsere Gassistrecke die nächsten fünf Tage am Kanal.
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Der erste Tag:

Clemens sicherte unseren Angelplatz frühzeitig ab, da er schon mittags anreisen konnte. Sein Engagement sollte nicht unbelohnt bleiben. Es war eine Bullenhitze. Als ich am Wasser ankam, konnte ich es kaum glauben, dass er ohne Möglichkeit auf Schatten unseren Platz in Schach hielt.
Es reichten wenige Minuten aus, dass mein Shirt durchnässt war und wie es kommen musste, hatte ich auch noch das Hundefutter im Auto vergessen. „Wer es nicht im Kopf hat – hat es eben in den Beinen…“

Als ich zurückkam, sah ich wie Clemens drillte. Er rief mir einen Satz zu, den ich wie folgt verstanden habe: „Laufe langsam – es ist nur ein Kleiner!“ – Doch es hieß eigentlich: „Vielleicht läufst Du noch etwas langsamer, denn es ist KEIN Kleiner!“
Als ich Clemens Körpersprache sah, wurde mir klar ich muss schnell den Kescher nehmen.

Welch ein Traumfisch! Ein bekannter Spiegler, namens „Black Pearl“ mit 19,6 KG.

Kaum war die Falle neu scharf gestellt, schlug sie auch schon wieder zu. Nach dem Anhieb schien es als wäre es ein Fehlbiss gewesen – wir wurden eines Besseren belehrt.
Ich sagte noch spaßeshalber: „Pass auf, am Ende hängt noch ein Graser am Haken!“ Wir schauten gespannt aufs Wasser! Tatsache! Es kam ein Graskarpfen zum Vorschein. Kaum gesehen, startete er seine Flucht in die Tiefe.

Während ich mein Waffen scharf stellte, fing Clemens noch einen Fisch.

Somit stand es 3:0 und ich war in Zugzwang. Kurz darauf war es mir möglich den Anschlusstreffer zu erzielen. Ein wunderschöner Spiegelkarpfen mit enormer Kampfkraft.

Nach diesem fulminanten Start, konnten wir etwas Ruhe finden – aber nicht lange! Das Piepsen meines Delkims riss uns aus den Träumen. Der Drill stellte meine Kräfte auf die Probe, nach langem hin und her konnte ich einen sensationellen Schuppi auf die Matte legen. Die Waage zeigte 16,5 KG Kampfmasse an.


Nachdem die Hitze tagsüber unerträglich war, entschlossen wir uns erst gegen abends wieder den Spot aufzusuchen.

Clemens ließ es sich nicht nehmen die Führung erneut auszubauen. Wieder ein bekannter Fisch namens „Der Verhaute“. Ein Schuppi mit 15,8 KG – so durfte es weitergehen.

Diese Nacht blieben wir beide komplett schlaflos, Schlag auf Schlag liefen die Rollen ab und ein Fisch folgte dem Anderen. Dank dem „Big Water Mix“ blieben die „kleinen Karpfen“, sowie Weißfische aus und wir konnten nur Fische über 15 Pfund verbuchen.

Ziemlich ausgelaugt kamen wir am nächsten Abend an. Wir wollten die Beißlaune der Fische bis zum letzten ausreizen, dass wir mit dieser Entscheidung, erneut ans Wasser zu gehen, richtig lagen, zeigten die nächsten Prachtkerle.

In dieser Nacht war es uns erneut gelungen, mehrere kapitale Karpfen zu verhaften. Das Glück lag diesmal auf meiner Seite, indem ich zwei Ausnahmefische fangen durfte.

Ein Schuppi, der in der Szene für seine Kampfkraft und seine Schönheit bekannt ist, nahm meine 24mm Kugel. Getauft unter dem Namen „Rosenkohl“ brachte er 18,5 KG auf die Waage. „What a fish!“

Damit nicht genug, wurde ich mit einem „Beauty“ aus dem Schlaf gerissen. Solch ein Fisch blieb mir bisher am Europakanal verwehrt und bekommt einen besonderen Platz in meiner „Hitlist“.

Damit gingen „Drei schlaflose Nächte“ zu Ende.

Welche Schlüsse zogen wir daraus? Ohne Fleiß – kein Preis. In diesen drei Nächten verbrachten wir traumhafte Stunden am Wasser mussten dabei jedoch verschiedenste Aufgaben meistern, unter anderem machten uns die momentane Algenblüte der Fadenalgen das Leben schwer. Bei jedem Fisch oder Neuausbringen der Montagen hingen diese kiloweise an den Schnüren.

Manche Frau schmiert sich dieses Zeugs für horrendes Geld ins Gesicht, aber uns bereiteten sie nur Ärger.

Wie an unserem Rhein-Main-Donau-Kanal nicht anders zu erwarten, gibt es regen Schiffsverkehr, Schiffsschrauben und Seitenstrahldüsen machen jedem Angler das Leben schwer.
Dennoch wurde unsere Hartnäckigkeit mehrfach belohnt und wir würden und werden uns diesen Hürden jedes Mal erneut stellen.

Geliebter Kanal, wir sehen uns wieder!!!

 

Marco Volland
 

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